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Geschnitten oder nicht? Wir waren bei Activision und haben die US-Version von Call of Duty: Black Ops mit der deutschen Variante vergleichen.
Kultredakteur Harald Fränkel
Produkt-PR ist ein Minenfeld! Und niemand weiß das besser als die PR-Abteilung des Branchengiganten Activision/ Blizzard. Immerhin haben die Herren vor knapp 12 Monaten vollmundig in einer Pressemitteilung angekündigt, die deutsche Version von Modern Warfare 2 enthalte »jeden einzelnen Level der US-Version in ungekürzter Fassung…«. Man darf natürlich geteilter Meinung darüber sein, ob die Änderungen im berüchtigten Flughafenlevel nun als Kürzungen zu betrachten sind oder nicht. Dies ändert jedoch nicht an der Tatsache, dass die meisten Spieler diese Änderung sehr wohl als Kürzung wahrgenommen haben.
Spätestens nachdem die Wahrheit über den Flughafen-Abschnitt der deutschen Version das Licht der YouTube-Welt erblickte, fegte ein Sturm der Entrüstung durch die relevanten Internetforen und die Modern Warfare 2-PR verwandelte sich in einen Supergau für alle Beteiligten. Magazine und Websites, die die vermeintlich frohe Unzensiert-Botschaft verbreitet hatten, verloren ebenso an Glaubwürdigkeit wie der Publisher selbst, der mit mäßigem Erfolg versuchte, sich mit Worten wie »inhaltsgleich« aus dem Schlamassel zu ziehen.
Der Spieler vergisst nichts!
Obwohl die große Gruppe der computer- und videospielenden Menschen sicherlich nicht frei von Makeln ist, kann man ihr eines auf keinen Fall vorwerfen, nämlich Vergesslichkeit! Das bedeutet vor allem eins: Jede Pressemitteilung von Activision zum Thema Kürzungen und Schnitte in Call of Duty: Black Ops , würde von den Spielern unter Generalverdacht gestellt, bestenfalls belächelt und danach mit einem Anruf beim Importhändler belohnt, man will ja auf Nummer sicher gehen.
Natürlich weiß man das auch bei Activision/ Blizzard und versucht nun, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Und genau hier kommen wir ins Spiel, denn GamePro/ Gamestar hatten exklusiv die Gelegenheit, sich die deutsche, von der USK mit dem roten Stempel (»Freigegeben ab18 Jahren« versehene Version anzuschauen und das Gesehene mit der US-Version zu vergleichen.
Von Blutfontänen und Schädelknochen
Wir schreiben das Jahr 1968 und befinden uns an Bord eines Bell UH-1-Hubschraubers, unter uns entrollen sich malerische Wasserflächen und das üppige Grün des vietnamesischen Dschungels. Das stetige Flappen des Rotors lässt Erinnerungen an unzählige Vietnam-Filme wachwerden, die schummrige Beleuchtung im Inneren des Hueys verleiht der Szenerie etwas Gespenstisches. Als erfahrener Spieler weiß man, was kommen wird, immerhin gehört ein gut inszenierter Hubschrauberabsturz heutzutage zum Militärshooter-Standard-Kanon. Und richtig, kurze Zeit später scheppert es gewaltig, der Mehrzweck-Hubschrauber wurde von einer Rakete getroffen und trudelt wie eine Wildgans mit einer Ladung Schrot im Gefieder der schillernden Wasseroberfläche entgegen. Was folgt, ist Chaos, hektischer Funkverkehr, Schreie und schließlich eine blubbernde Stille nach dem Aufschlag.
Extreme Fragwürdige Gewaltdarstellungen in Call of Duty gehörem inzwischen zum Markenzeichen der Call-of-Duty-Serie.
Natürlich ist unsere Landung nicht unbemerkt geblieben: Vor dem Cockpitfenster bauen sich ein paar vietnamesische Soldaten auf und eröffnen das Feuer. Wir tauchen unter den Kugeln hindurch und bewegen uns unter der Wasseroberfläche auf einen Steg zu, den wir unbemerkt hinter dem Rücken einer Wache erklimmen. Anstatt den Gegner zu eliminieren, greifen wir uns den Kombatanten und nutzen ihn als menschlichen Schutzschild, der alsbald von den Kugeln seiner ehemaligen Kameraden durchbohrt wird. Mit einer lässigen Bewegung entledigen wir uns des unfreiwilligen Helfers, legen an und beobachten in einer Zeitlupensequenz (ähnlich wie in Sniper: Ghost Warrior) den Weg unseres letzten Projektils, das schließlich mit voller Wucht in die Stirn eines Gegners einschlägt. Blut spritzt während der Körper des Getroffenen nach hinten fällt und ein Stück Schädelknochen zur Erde trudelt.
Dies geschieht in der US-Version. Im entsprechenden Spielabschnitt der deutschen Version sind nach dem Auftreffen des Projektils zwar auch Blutfontänen zu sehen, Teile des Schädelknochens und weiteres, nicht definierbares Gekröse fehlen aber.
Operation: Halsabschneider
Auf der diesjährigen Gamescom wurde Black Ops natürlich auch präsentiert und wegen einer bestimmten Szene heiß diskutiert. Im Vorführraum von Activision/ Blizzard durften wir uns diesen Spielabschnitt erneut ansehen. Wir schwimmen unter der Wasseroberfläche an einen Pfahlbau heran, um eine Ladung Sprengstoff zu platzieren. Am Rand einer Hütte steht gefährlich nah ein Wachposten. Da wir nicht entdeckt werden wollen, schwimmen wir zur Hütte, greifen uns den Gegner, ziehen ihn unter Wasser und schlitzen ihm mit mehreren sägenden Bewegungen die Kehle auf. Die Leiche lassen wir mit einer klaffenden Wunde in die Tiefe gleiten. Man muss kein Jugendschutz-Experte sein, um zu vermuten, dass derart ruppige Geschichten bei der USK auf wenig Gegenliebe stoßen und sind gespannt, welche Änderungen uns an dieser Stelle in der deutschen Version erwarten. Die Antwort ist einfach: Keine!
Auch in der deutschen Version wird der arme Tropf unter Wasser gezogen, bekommt mit denselben sägenden Bewegungen die Kehle durchgeschnitten und versinkt in einer roten Wolke austretenden Blutes in den Fluten. Harter Tobak, der nach Veröffentlichung des Spiels mit Sicherheit für Diskussionen sorgen wird. An anderer Stelle pirschen wir durch eine Hütte, Stille ist das Gebot der Stunde, weswegen wir keine Schusswaffe, sondern ein im Mondlicht glänzendes Bowie-Messer in der Hand halten. Vor uns liegt ein Vietcong in einer Hängematte. Seine Gesichtszüge sind ebenso entspannt wie seine Atmung – vielleicht träumt er von besseren Zeiten und dem Ende des Krieges. Wir wissen es nicht und werden es auch nie erfahren, denn der perversen Logik des Krieges zufolge ist auch ein schlafender Gegner ein Gegner, weswegen wir dem Ahnungslosen mit einem wuchtigen Stich des Bowie-Messers die Halsschlagader durchtrennen. Auch an dieser Stelle gibt es keine Unterschiede zwischen US-Version und deutscher Variante.
Geschmacklosigkeit oder gebotene Härte?
Wir springen einige Spielabschnitte weiter und befinden uns in einer vom Krieg gezeichneten Lagerhalle der US-Version. Vor uns sitzt auf einem Stuhl ein geschundener, vor Dreck starrender Mann mit eingefallenen Wangen und müden, tief in den Höhlen liegenden Augen. Seine Hände sind auf den Rücken gebunden, trotz des jämmerlichen Anblickes des Gefangenen bleibt keine Zeit für Mitleid: Der Mann ist im Besitz kriegswichtiger Informationen, die er natürlich nicht preisgeben will. Auf Knopfdruck verpassen wir dem Geheimnisträger einen Schlag ins Gesicht, trotzdem will er seine Geheimnisse nicht preisgeben. Ein weiterer Knopfdruck zerbricht eine Fensterscheibe, unsere Hand greift eine große Glasscherbe, stopft sie dem Gefangenen in den Mund und wir schicken ein paar Schläge hinterher. Der Mann spuckt Blut und Scherben, und selbst hartgesottene Action-Fans wenden sich angewidert ab.
Wo Modern Warfare 2 sich noch damit begnügte, Folter lediglich anzudeuten und den Rest der Vorstellungskraft des Spielers überließ, geht Black Ops einen gewaltigen Schritt weiter. Der Spieler wird nicht nur zum Zeugen dieser unmenschlichen Behandlung, sondern selbst zum Folterknecht. Ohne moralische Entrüstung vorschieben zu wollen, darf man an dieser Stelle fast schon froh sein, dass Activision sich in der deutschen Version gegen aktive Folter entschieden hat. In der USK-freigegebenen Fassung beginnt dieser Spielabschnitt wesentlich später, nämlich nach der Foltersequenz. Eine kluge Entscheidung, denn wenn Spieler-Deutschland eines nicht gebrauchen kann, dann sind es weitere von den Massenmedien lancierte Hetzkampagnen im Stile von »Videospiele bringen unseren Kindern das Foltern bei«.
Angeblich wird im Multiplayer nichts gekürzt
Abgetrennte Gliedmaßen und rollende Steine
Später pirschen wir in der US-Version durch einen Tunnel und sind mit einem großkalibrigen Revolver bewaffnet. Die Atmosphäre ist düster, Wasser tropft von der Decke, die Beleuchtung ist schlecht und hinter jeder Ecke könnte ein Gegner lauern. Plötzlich springt ein Vietcong aus einem Seitengang, wir legen an, drücken ab und amputieren mit unserem Treffer das Bein des Gegners. Dieselbe Wirkung entfalten auch Handgranaten oder Raketenwerfer. Hier ist die USK ihrer Linie treu geblieben – ganz nach dem Motto: »Blutspritzer ja, abgetrennte Gliedmaßen nein«, bleiben die Extremitäten der Gegner in der deutschen Version an ihrem Platz. Eine weitere Änderung ist eher subtiler Natur: Wir befinden uns an Bord eines Kanonenboots und wollen den Fluss hinauffahren. Bevor die mächtigen Dieselmotoren des Bootes zu röhren beginnen, wirft einer unserer Kollegen ein Radio an, und Mick Jagger intoniert »Sympathy for the Devil« während wir in der Dämmerung mit der Bordkanone Gegner, Fahrzeuge und Gebäude vom Ufer räumen. Dank der Musik erinnert die Szene ein wenig an Francis Ford Coppolas Meisterwerk »Apocalypse Now«, genauer gesagt an die von Wagners Walkürenritt untermalten Szenen. In der deutschen Variante von Black Ops hingegen fehlt die musikalische Untermalung, was dem Spielabschnitt eine ganz andere und wesentlich düsterere Stimmung verleiht.
Sinnvoll geändert?
Laut den anwesenden PR-Managern wurden außer den hier geschilderten Änderungen und der Entfernung verfassungswidriger Symbole keine weiteren Kürzungen vorgenommen.(der Mehrspieler-Modus bleibt übrigens gänzlich unangetastet). Unserer Meinung nach sind die Anpassungen für den deutschen Markt so marginal, dass sie eigentlich nicht ins Gewicht fallen. Das Wegfallen der Folterszene begrüßen wir sogar ausdrücklich, da auf diese Weise ein dramatischer Imageschaden für die gesamte Branche sowie die Spieler in Deutschland vermieden wird. Wer das Spiel dennoch in seiner ganzen Härte erleben will, muss zum Österreich-Import greifen, denn dort erscheint Call of Duty: Black Ops (fast) gänzlich ungeschnitten auf deutsch. Lediglich die Hakenkreuze wurden auch in dieser Version entfernt.
Quelle: Gamestar
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